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...Peter Fricke über deutsche Sprache, triviale Stoffe und Zitate großer Leute

Geschrieben von G. Walt Sunday, 4. April 2010


Peter Dricke ist Berliner mit bayerischer Mutter; aufgewachsen in Murnau am Staffelsee. Fricke ist einer der profiliertesten deutschen Schauspieler. Er ist auf der Bühne, auf der Mattscheibe und der Leinwand ebenso zu Hause wie in Audioproduktionen. Große Klassiker (u. a. von Schiller, Shakespeare, Lessing) spielt er ebenso wie SF (Rainer Erlers Das blaue Palais). Er mordete sich durch die deutschen Krimiserien und brachte der My Fair Lady was über Spaniens grün bei. Dem Zauberspiegel stand der profilierte Schauspieler Rede und Antwort.

Zauberspiegel: Hallo Herr Fricke und vielen Dank, dass sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben. Man liest im Internet viel über Sie, wenn man ihren Namen eingibt. Vor allem wird deutlich wie sehr Sie sich für deutsche Sprache einsetzen. Warum? Glauben Sie von der deutschen Sprache geht allzu viel verloren, oder sie wird zu wenig beachtet und geachtet?

Peter Fricke: Die deutsche Sprache kann man als aufregend schön empfinden, denn sie ist in ihrer Vielfalt und ihrer Genauigkeit einmalig. Beispielsweise hat die französische Sprache für die Bewegung viel weniger Begriffe zur Verfügung, aber sie wird von den Franzosen geliebt und es gibt in der Comedie Francaise, nach Monologen von Darstellern, Applaus, alleine für die excellente Handhabung und Aussprache der theatralischen Texte in ihrer Sprache. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. Hier wird die Sprache als kompliziert empfunden und der Englischen der Vorzug gegeben, die im oberflächlichen Gebrauch gewiss leichter ist, aber im differenzierten sprachlichen Ausdruck auch kompliziert und vielgestaltig. Wir wollen doch nicht vergessen, dass deutsch als Weltsprache an einer Stimme gescheitert ist, - also so gering war der Abstand, der uns englisch als Weltsprache geschenkt hat. Das den Menschen in Erinnerung gerufen, die es so schick finden, „denglisch“ zu sprechen, oder auch, bei jeder möglichen Gelegenheit, englisch. Wenn die Sprache eines Landes verkommt, verkommt seine Kultur, sagte der Dichter Pasternak und die Sprachverschlampung und Verluderung ist ja nun in aller Breite sichtbar. Dazu tragen die Medien bei und die Tatsache, dass alles an Unsinn nachgeplappert wird. Nehmen wir das immer und ewig gebrauchte „massiv“ für alles und jedes, oder Beispiele aus der Fußballwelt, weil das als populär gilt, oder proletarische Ausdrücke wie „bescheuert“ „das ist nicht mein Bier“ „der soll mich am A. lecken“. Der Sprachausverkauf wird deutlich, wenn für die einstürzende Türme, wie auch für ein runter gefallenes Stück Käse, das Wort „Scheiße“ richtig scheint, oder auch der Ausdruck „Wahnsinn“ für den FC Bayern, wie auch für jede Form von Katastrophe. So auch „genial“ genannt wird, seine Großmutter zufällig zu treffen und damit für- Einstein - kein Begriff mehr verfügbar zu haben. Ein Drehort ist eine Location, die es erlaubt, suboptimiert zu arbeiten. Ich wundere mich dass so etwas wie „very lecker Spargel“ in Deutschland möglich ist als Tafelwerbung. Das lässt sich endlos fortsetzen, soll aber nur Blitzlichter auf die Handhabung werfen. Das Land entscheidet sich freiwillig für den geringsten Wortschatz und ich habe bei „Media-Markt“ gefragt, ob sie denn auch an Menschen verkaufen, die einen Nebensatz bilden können und nicht angebrüllt werden wollen (siehe Media-Werbung). In Paris sehe ich, dass ich in Frankreich bin, denn ich sehe eine Strasse mit ausschließlich französischen Aufschriften und Neon-Werbung in der Landessprache, also eben Coiffeur für Hairdresser. Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Seine differenzierte Sprache, auf der Basis von Reflexion.

Zauberspiegel: Sie haben sehr viele Lesungen gemacht. Sowohl auf der Bühne, was schon sehr früh begann, aber auch im Hörbuch. Finden Sie das Hörbuch ist ein sehr geeignetes Medium um dem Menschen das deutsche Wort und die Sprache nahezubringen, oder denken Sie Hörbücher sprechen sowieso nur sprachlich gebildete Leute an?

Peter Fricke: Ja, Hörspiele und eben auch Hörbücher sind deshalb so gut, weil sie die Bilder, die Vorgänge, in den Menschen erzeugen, also nicht komplett mit Bild und Ton befriedigen. Ich habe es so formuliert: “Wenn Gedanken allein aus der Sprache Kontur erhalten, wenn Charaktere sichtbar werden, ohne dass man sie sieht, ist die Kunst der Interpretation erreicht“. Das genau hat seine Wirkung auf den Hörenden. Da das Fernsehen seinen Kulturauftrag nicht erfüllt, ist die Beliebtheit der Hörbücher kein Wunder. Es sind dann immer noch Minoritäten, die kaufen, aber sie bekommen ihr Recht. Auch ist es für Autofahrer inspirierend in der Eintönigkeit der Autobahnfahrten.

Zauberspiegel: Ich habe „Nachtzug nach Lissabon“ gehört, wo Sie die Hauptrolle bekleiden. Ein sehr philosophisches und auch gesellschaftkritisches Werk. Auf jeden Fall auch sprachlich recht ausgeschmückt. Die Übersetzung scheint da gelungen. Mögen Sie solche Literatur?

Peter Fricke: „Nachtzug nach Lissabon" hat mir sehr gefallen und ich konnte mit der Hauptfigur und der Geschichte etwas anfangen, also imaginieren. In aller Kompliziertheit der Figurenanlage, mit der philosophischen Komponente, ist die Geschichte nachvollziehbar und unterhaltsam. Ich mag, schätze Literatur mit Breite, Tiefe und komplexen Zusammenhängen, wenn ich das so ausdrücken darf. Ich bin froh darüber gefordert zu werden.

Zauberspiegel: Im trivialen Hörspiel findet man den Namen Fricke zunächst nicht so häufig. Wenn man genauer forscht, dann kommen aber doch einige Werke mit Ihnen als Sprecher zu Tage. Pipi Langstrumpf, Das Gespenst von Canterville, Paul Temple und vieles mehr. Was halten Sie von trivialen Hörspielstoffen, welche ja in den letzten Jahren immer mehr im Kommen waren, und wie erklären Sie sich diesen Boom?

Peter Fricke: Den Boom an trivialen Stoffen und schnellen Umsetzungen sehe ich an den ökonomischen Gegebenheiten, denn solche Produktionen kosten Geld und sie müssen Geld zurück führen. Wie auch im TV macht man Geld mit der Masse – siehe Einschaltquote – und mit der Kenntnis der Tatsache, dass Allen das Denken erlaubt ist, vielen aber erspart bleibt. Übrigens Kinderhörspiele wie „Pippi Langstrumpf“ finde ich nie trivial und „Das Gespenst von Canterville“ ist von O. Wilde.

Zauberspiegel: Ich als Anhänger von Hörspielen würde mich freuen Ihre Stimme noch öfter zu hören. Sie sind grundsätzlich bereit auch in Zukunft bei Hörspielen mitzuwirken?

Peter Fricke: Natürlich arbeite ich weiter – wie mein gesamtes bewusstes Leben – mit der Sprache. Es ist ja auch mit viel Freude verbunden und ich hatte das Glück des Hörbuchpreises 2008 an mich und war, als Interpret, auch an dem deutschen Hörbuchpreis 2009 und gerade 2010 mit Alexander Kluges „Chronik der Gefühle“ beteiligt.

Zauberspiegel: In den achtziger Jahren hatten Sie eine starke Präsenz im deutschen TV. In Krimiserien wie Derrick, Tatort und Soko waren sie Dauergast. Nicht selten spielten Sie die Rolle des genialen Verbrechers und eiskalten Mörders. Sie haben sich aber irgendwann offenbar dazu entschieden, den Bildschirm seltener zu beehren, und tauchten kaum noch im TV auf. Warum?

Peter Fricke: Gerade allerdings war ich General Ludendorff in einem TV-Film des Bayr. Rundfunks. Sie haben recht, ich war und bin sicher der einzige Schauspieler, der sich Ende 1989 aus einer privilegierten Situation der TV-Beschäftigung, sozusagen aus freien Stücken, zurückgezogen hat. Es gab damals 150 Serien und ich wollte keine der Serien anführen, weil ich nicht durch eine dieser Serien, als Apotheker, Arzt, Förster, oder was auch immer, laufen wollte. Der Beruf, oder Job (mit dem Begriff des Jobbers hat übrigens alle missliche Veränderung angefangen) ist eine gestaltende Aufgabe, - nämlich sich, mit verschiedenen Charakteren, selbst und seine Möglichkeiten zu entdecken. Das kann man am Theater und kann man als Gast in Serien, aber nicht, wenn man durch die Serie führt. Der Beruf als Selbstdarsteller interessiert mich nicht.

Zauberspiegel: Wenn ich an ihre Rollen in Derrick denke, oder auch früher Der Kommissar, dann erinnere ich mich insgesamt auch an gute Krimis. Anders als heute, wo der Mord in den ersten 3 Minuten passieren muss, weil die Zappergeneration einen allzu nervösen Finger auf dem Fernsehpiloten hat. Wie denken Sie über heutige Fernsehkrimis?

Peter Fricke: Ich glaube, dass die von Ihnen angesprochenen Krimiserien sehr europäisch waren. Das war ja wohl auch der große Erfolg nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Ländern, an unseren Serien. Dann hatten wir große Schauspieler-Persönlichkeiten unterschiedlichster Charaktere, die es nicht mehr gibt. Die gesamte Theaterprominenz hatte Herr Ringelmann als Produzent im „Kommissar“ und auch noch im „Derrick“, also ich bezeichne das, als den Reichtum der Vielfalt und abgesehen von den unterschiedlichsten Talenten, eine hohe handwerkliche Substanz, also Profession, als Grundlage für die Gestaltung. Dies ist heute nicht mehr gegeben, denn viele, die sich in dem Beruf tummeln, haben nicht mehr als Hintergrund das Theater, als die Wurzel des Berufes. Sie gehen direkt zum Fernsehen, um berühmt zu werden und „Kohle“ zu machen. Der Beruf ist ärgerlicherweise nicht geschützt, wie das auch Ben Kingsley bedauert und der von mir zum Vorbild genommene Laurence Olivier sagte : „Früher gab es hunderte von Schauspielern und alle bemühten sich ein Star zu werden – heute gibt es hunderte von Stars und kaum einer bemüht sich, auch ein Schauspieler zu werden“. Meine Anfängerjahre waren noch ohne Fernsehen und alle Schauspieler, die dann später TV spielten, kamen vom Theater, beschäftigten sich mit Literatur und haben Spielzeiten mit vielen unterschiedlichen Rollen verbracht. Im TV kann man über viele Jahre immer mit dem selben Typ in Erscheinung treten, das gibt es am Theater nicht.

Zauberspiegel: Und wenn Sie zurückdenken an ihre Drehs mit Horst Tappert oder Erik Ode, gibt es da besondere Erinnerungen?

Peter Fricke: Ich hatte eine stärkere persönliche Bindung an Horst Tappert, wir kannten uns auch vom Theater. Er hat auch bei einer Folge mit mir, Regie geführt und das kenntnisreich und liebevoll getan. Auch hatte er Sinn für Pausen, - auch Zeit zu lassen, im Bild, den Ausdruck zu verändern. Das überhaupt sehe ich als gravierenden Unterschied zu den heutigen Krimiserien, es wurde Ruhe im Bild gegeben. Zur Zeit orientiert man sich ausschließlich an amerikanischen Serien/Filmen mit vielen Schnitten, viel Action und die Psychologie der Figuren ist oberflächlich, grell, auf möglichst viel Effekt angelegt und lassen nicht viel Zeit für widersprüchliche Charakteranlagen.

Zauberspiegel: Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Peter Fricke: Ich bedanke mich für das Interview, die Fragen an mich, die mich anregen, darüber nachzudenken, wie wichtig gemachte Erfahrungen sind, wie wichtig es ist, zu erkennen, dass es keine Zukunft ohne Vergangenheit gibt. „Tradition ist nicht Bewunderung der Asche, sondern Erhaltung des Feuers“ sagte der Komponist G. Mahler


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